Etwas vom Aufregendsten am Job eines Guides ist es, an Pirschfahrten teilzunehmen oder diese selber zu leiten. Man weiss nie, was einen erwartet, und jede Pirschfahrt ist anders. Manche sind voller adrenalingeladener Momente, andere ruhiger. Wenn sich die Guides während einer Pirschfahrt treffen, unterhalten sie sich in der Regel kurz über ihre bisherigen Fahrten, und es kann vorkommen, dass sie einander sagen: „Bis jetzt nichts“ oder „Es war eine ruhige Fahrt“. Das bedeutet einfach, dass sie wahrscheinlich keine der Grosskatzen (Löwen, Leoparden oder Geparden) oder keine der Big 5 (Büffel, Elefant, Nashorn, Löwe, Leopard) gesehen haben. Ich persönlich finde diese Aussagen immer etwas deprimierend, da andere, manchmal erstaunliche Sichtungen von Tieren mit „weniger“ Wichtigkeit wie Giraffen, Zebras, Antilopen und dergleichen nicht mit einbezogen werden.
Wenn Du auf einer Safari warst oder sein wirst, die mehrere Pirschfahrten umfasst, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass eine davon etwa ruhiger ist, und das ist normal. Tatsächlich solltest Du eher ruhige Pirschfahrten erwarten, dann sind alle Sichtungen von höherem Kaliber (Löwen, Elefanten usw.) umso besonders. Als Guide möchte ich mit meinen Kund:innen die Schönheit der Natur und das, was sie alles zu zeigen hat, teilen, wobei sie jeden Tag etwas anderes anbietet. Ein Guide der Tag für Tag mit grossartigen Leoparden- oder Löwensichtungen verwöhnt wurde, ist schnell enttäuscht, wenn er für seine Gäste keine finden kann und sagt darauf, dass er „nichts“ gesehen hat.
Ich gehe mit dem Motto „lasst uns die Zeit nehmen, die kleinen Dinge zu bewundern, dann werden wir mit den grossen belohnt“, und bisher hat das bei mir meistens wunderbar geklappt und den Gästen einige unglaubliche Sichtungen beschert, wobei die kleineren Dinge genauso denkwürdig waren.
Im Dezember begleitete ich Gäste von Lerato Adventures für ein paar Tage in einen privaten Teil des Pilanesberg Nationalparks. Bereits auf der zweiten Pirschfahrt wurden wir mit Tierbeobachtungen verwöhnt, die unbeschreiblich waren. Die erste halbe Stunde war „ruhig“, aber die Gäste fotografierten die erstaunliche Landschaft im ständig wechselnden Licht der aufgehenden Sonne und der sich bildenden Wolken. Jeder schöne Baum und jede Felsformation wurden betrachtet, und sie waren einfach nur begeistert von der Umgebung.
Als der Funk dann plötzlich keine Ruhe mehr gab, wusste ich, dass uns wohl eine „spezielle“ Tiersichtung erwartet. Die morgendliche Pirschfahrt entwickelte sich zu einer Big-5-Fahrt – das heisst, wir begannen mit einer Löwensichtung, sahen dann Büffel, Elefanten, Nashörner und endeten mit einem Leoparden in einem Baum. Von allen Fahrzeugen derselben Lodge waren wir die einzigen, die alle der Big 5 während einer Fahrt sahen. In der Lodge gilt, dass ein Guide, der so ein Glück hat, seinen Kopf rasieren musste! So eine Fahrt ist wirklich selten! Ich machte den Gästen klar, wie viel Glück sie hatten und dass so etwas nicht alltäglich ist. Meine Sorge war, dass die Erwartungshaltung für die weiteren Pirschfahrten nun viel zu hoch sass.
Der Game Drive am nächsten Morgen war dann auch das komplette Gegenteil. Wir sahen kaum Säugetiere, denn die schienen sich vor uns zu verstecken, und unsere Kaffeepause dauerte fast eine Stunde und alle waren sehr gesprächig. Die ganze Gruppe war einfach mit allem zufrieden, was sie sah. Es herrschte eine tolle Energie und alle waren entspannt. Wir packten zusammen und beschlossen, uns langsam auf den Rückweg zur Lodge zu machen.
Auf der Rückfahrt bat ich den Guide, anzuhalten, weil ich einen unheimlichen Ruf aus den Bäumen hörte, die die steile Schotterstrasse säumten. Sobald der Motor abgestellt war, konnte jeder den Ruf hören, aber es war schwer zu erkennen, woher der Ruf kam. Ich suchte die Bäume mit meinem Fernglas ab und dann – „aaah, da ist ein Perlzwergkauz!“ sagte ich verzückt. „Wo?“, die anderen waren auch sofort mit ihren Ferngläsern bereit. Dann ein weiterer Ruf aus einer anderen Richtung. Wir entdeckten schliesslich 3 Jungvögel, die alle in Bäumen in unterschiedlichen Abständen zum Auto sassen, wobei es nicht einfach war, alle zu erspähen. Es kostete einige Mühe, allen im Auto zu erklären, wo genau sie sich befanden. Aber als dann auch die Letze im Auto alle drei sehen konnte, war die Aufregung im Auto riesig! Drei Eulenjunge, was für ein Fund!
Nach vielen Fotos waren wir bereit, weiterzufahren, und in diesem Moment entdeckte ich ein ausgewachsener Perlzwergkauz mit einer Beute in den Krallen. Auch hier war die Aufregung gross, denn dies war nun wirklich selten zu sehen. So rar, dass der Guide sogar per Funk seine Kollegen informierte, damit diese sich das auch anschauen konnten. Nach ein paar Minuten stoss dann auch ein weiteres Safarifahrzeug zu uns, denen wir begeistert erklärten, wo sie hinschauen müssen, bevor wir schliesslich weiterfuhren. Wir verbrachten fast 45 Minuten mit diesen Raubvögeln, so besonders war es.
Manchmal hält die Natur grössere Tieren verborgen, und man darf das schätzen, was man zu Gesicht bekommt. Diese Eulensichtung war eine der besten Vogelsichtungen, die ich je hatte, und ich lernte dort den Ruf eines jungen Perlzwergkauzes, den ich vorher nicht kannte.
Am Nachmittag besuchten uns die Elefanten im Camp und auf der Pirschfahrt sahen wir ein Spitzmaulnashorn ...
Die Moral von der Geschicht': Nimm Dir die Zeit, die kleinen Dinge zu bewundern, die Blumen, Insekten und Vögel, denn sie alle sind Teil des Ökosystems, in dem wir leben, und dessen die grossen Tieren auch angehören. So wirst Du Dich an eine grossartige Sichtung z.B. eines Chamäleons oder Trauerdrongos erinnern, obwohl Du vielleicht keine Löwen gesehen hast, während, wenn Du ständig an diesen Tieren vorbeifährst, Dich nur daran erinnern wirst, dass Du nach Löwen gesucht, sie aber nicht gefunden hast. Was denkst Du, welche Erinnerung wird Dir am Ende mehr Freude bereiten? Auf Pirschfahrten ist nichts garantiert, und viele Guides sagen zu Beginn eines Game Drives nicht zu Unrecht: „Mal sehen, was die Natur uns heute bietet“.
Autorin
Stefanie, ursprünglich aus der Schweiz, lebt seit 2014 in Südafrika, wo sie die Ausbildung zum Safari Guide ablegte und seither Gästen aus aller Welt die wundervolle Schönheit des südlichen Afrikas zeigt. Sie ist eine enthusiastische Naturliebhaberin, die stundenlang Elefanten beim fressen oder Tüpfelhyänen beim Spielen zuschauen kann, um eigene Beobachtungen und Verhaltenstheorien zu machen. Nichts begeistert sie mehr, als Gleichgesinnten die kleinen und grossen Naturwunder zu zeigen und deren Reaktionen und Emotionen zu sehen.
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